21. Oktober 2025•9 Min
Wie dein Nervensystem funktioniert und warum das dein Leben verändert
Entdecke, wie dein automatisches Schutzsystem arbeitet, lerne die vier Reaktionsmuster kennen und erweitere dein Toleranzfenster.
Warum es wichtig ist, dein Nervensystem zu verstehen?
In den letzten Jahren ist das Thema Nervensystem fast überall aufgetaucht – in Coachings, Podcasts, Psychologie, Spiritualität. Aber warum reden eigentlich alle davon? Und was bedeutet es wirklich – jenseits des Buzzwords?
Wenn du verstehst, wie dein Nervensystem funktioniert, verändert sich dein ganzes Erleben. Du beginnst, deine Reaktionen zu verstehen – statt sie zu verurteilen. Und du merkst: Es geht nie darum, ruhig zu bleiben. Es geht darum, sicher zu sein.
1 | Was dein Nervensystem eigentlich tut
Dein Nervensystem ist das feinste Wahrnehmungssystem, das du besitzt. Es prüft in jeder Sekunde, ob du sicher bist – körperlich, emotional, sozial. Diese unbewusste Bewertung nennt man Neurozeption. Wenn dein System „Gefahr“ registriert, schaltet es blitzschnell um.
Dein Denken, dein Fühlen, dein Verhalten – alles reagiert. Nicht, weil du schwach bist, sondern weil dein Körper dich beschützen will.
2 | Der Säbelzahntiger in der Neuzeit
Vor zehntausenden Jahren war das lebensnotwendig: Ein Rascheln im Gebüsch konnte bedeuten – Säbelzahntiger. Dein Körper musste handeln, bevor du nachgedacht hast. Also entwickelte sich ein automatisches Programm, das bis heute aktiv ist.
Heute erscheint die Gefahr als Nachricht, voller Terminkalender, Streit oder Erinnerung. Dein System erkennt „Gefahr“, obwohl objektiv keine da ist, und reagiert trotzdem.
3 | Fight, Flight, Freeze – und Fawn
- Fight (Kampf): Du gehst in Konfrontation, wirst laut, willst Kontrolle.
- Flight (Flucht): Du wirst rastlos, beschäftigst dich, lenkst dich ab.
- Freeze (Erstarren): Du ziehst dich zurück, spürst dich kaum noch, „funktionierst“.
- Fawn (Anpassen): Du versuchst, es allen recht zu machen, vermeidest Konflikte, suchst Harmonie – um sicher zu bleiben.
Jede dieser Reaktionen hat einen Sinn. Sie will dich schützen. Nur bleibt unser System heute oft in einem dieser Zustände hängen, weil die reale Gefahr fehlt – aber das innere Alarmsignal bleibt.
4 | Das Toleranzfenster – wo Regulation passiert
Der Begriff des Toleranzfensters stammt aus der Traumatherapie (Dan Siegel) und beschreibt den Bereich, in dem dein Nervensystem optimal funktioniert. Innerhalb dieses Fensters kannst du fühlen, denken, handeln – gleichzeitig.
- Bist du oberhalb → Übererregung (Kampf / Flucht)
- Bist du unterhalb → Untererregung (Freeze / Fawn)
- Dazwischen → Regulation, Verbindung, Präsenz
Unser Nervensystem bewegt sich ständig zwischen verschiedenen Zuständen. Im Überlebensmodus sind wir in Anspannung, Kontrolle oder Rückzug – unser Körper signalisiert: „Ich bin nicht sicher.“ Gedanken wie „Ich kann nicht“ oder „Ich muss“ spiegeln diesen Zustand wider. Wir funktionieren, aber wir fühlen uns nicht frei. Sobald unser System wieder mehr Sicherheit wahrnimmt, öffnet sich die Wachstumszone. Hier kann es manchmal herausfordernd werden, aber mit jedem Mal, wo wir uns trauen, wird unser Toleranzfenster größer. Es entsteht der Raum für neue Erfahrungen, für Verbindung und Lernen. Unser Nervensystem fühlt sich in Gedanken wie „Ich kann“, „Ich darf“ oder „Ich bin“ regulierter an, sicherer. Die meisten Menschen sind im Alltag aber viel im "ich muss" unterwegs – chronischer Überlebensmodus für unser Nervensystem. Das Toleranzfenster zeigt uns den Zustand, in dem wir reguliert sind. Hier ist das Nervensystem "flexibel" und wir haben einen Zugang zu unserer inneren Stärken.
Zwischen Komfortzone und Wachstum
Das Ziel ist nicht, „immer entspannt“ zu sein, sondern dein Toleranzfenster zu erweitern, sodass du im Leben bleiben kannst – auch wenn’s wackelt.
5 | Der Vagusnerv – dein innerer Ruheanker
Es ist sicher. Du darfst loslassen.
Der Vagusnerv ist der längste Nerv deines Parasympathikus und verbindet Gehirn, Herz, Lunge und Verdauung. Er sendet das Signal „Es ist sicher. Du darfst loslassen.“ Wenn du atmest, summst, lachst oder dich verbindest, aktivierst du den Vagus, was dich aus dem Alarm zurück in Regeneration bringt.
6 | Polyvagal-Theorie – die Sprache deines Systems
Der Neurowissenschaftler Stephen Porges hat erkannt, dass unser Nervensystem nicht nur „An“ und „Aus“ kennt, sondern ein Spektrum mit drei Hauptzuständen bietet. Diese Zustände sind Ventraler Vagus (Sicherheit & Verbindung), Sympathikus (Aktivierung) und Dorsaler Vagus (Erstarrung).
- Ventraler Vagus: Sicherheit & Verbindung – du fühlst dich offen, präsent, ruhig.
- Sympathikus: Aktivierung – du bist in Bewegung, Alarm, Handlungsmodus.
- Dorsaler Vagus: Erstarrung – du fällst in Rückzug oder Leere.
Du wechselst ständig zwischen diesen Zuständen, was gesund ist. Problematisch wird es, wenn du in einem Zustand festhängst, zum Beispiel im Dauer‑Fight oder Freeze. Sobald du beginnst, diese Zustände zu erkennen, kannst du sie begleiten, statt dich von ihnen überrollen zu lassen.
7 | Warum das alles so wichtig ist
Weil dein Nervensystem die Basis für Heilung, Beziehung und Wachstum ist. Wenn du verstehst, was in dir passiert, musst du dich nicht mehr dafür schämen, wie du reagierst. Du kannst Mitgefühl entwickeln – und damit beginnt echte Veränderung.
Regulation ist die Sprache, in der du deinem Körper sagst: „Ich bin bei dir. Es ist sicher.“
9 | Wie du lernen kannst, dein System zu regulieren
Hier auf der Seite teile ich Wissen, das dich verstehen lässt. Im Momentum Memberbereich findest du angeleitete Audios, Mikro‑Übungen und Tools, die dein System liebevoll unterstützen, Sicherheit neu zu lernen. Mehr im "ich bin", "ich darf" und "ich kann" zu leben. Weniger vom ständigen "ich muss". Kein Druck, kein Dogma – sondern kleine Schritte zurück zu dir.
Tipp: Nutze meinen Momentum Memberbereich der im November 2025 seine Pforten öffnet
Audios, Mikro‑Übungen und Tools helfen, dein System sicher zu regulieren.
Fazit
Dein Nervensystem ist kein Gegner, sondern dein ältestes Schutzsystem und dein direktester Weg zurück in Verbindung. Wenn du lernst, seine Sprache zu verstehen, hörst du auf, dich zu verurteilen, und beginnst, dich zu begleiten. Frieden entsteht nicht, wenn alles ruhig ist – sondern wenn du weißt, wie du in der Bewegung ruhig bleibst. "Ich bin sicher."
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Ich arbeite mit meinen Klient:innen viel und gern mit dem Nervensystem und vorallem meine Grafik hilft vielen sehr gut als Gedankenstütze. Sie macht gut sichtbar, wie fein der Übergang zwischen Anstrengung und Wachstum wirklich ist – und dass Sicherheit immer die Voraussetzung für Veränderung bleibt.
Die Inhalte meines Artikels ersetzen keine medizinische oder therapeutische Behandlung. Sie dürfen dich erinnern, verstehen lassen, begleiten – aber sie sind kein Ersatz für persönliche Begleitung, wenn du spürst, dass Themen tiefer reichen oder dich stark berühren. Alles, was du hier liest, ist als Einladung gemeint: dich selbst besser kennenzulernen, Verantwortung zu übernehmen und liebevoll mit deinem System in Kontakt zu kommen. Fühl dich frei, dir Unterstützung zu holen, wenn du merkst, dass dein Körper oder deine Seele das gerade brauchen. Dein Nervensystem wird es dir signalisieren.
Von Herzen, deine Jeannette
